SOUND

Klang erleben: Virtueller Ausstellungsrundgang

Raum 4: Chistina Kubisch

 … STILLE

analyzing silence 2020
   silent exercizes 2019

Die Beziehung zwischen Klang, Geräusch und Stille hat mich seit Beginn meiner künstlerischen Arbeit beschäftigt und begleitet. Stille ohne Klang hat es nie gegeben, wie es uns John Cage in seinem Erfahrungsbericht aus einem schalldichten Raum, in dem er plötzlich seine Blutzirkulation hört, eindringlich vor Augen führt. Klang und Stille sind immer ein Paar in Wechselwirkung. Dass dabei das Geräusch zunehmend die Überhand bekommen hat, thematisierten schon die (gar nicht so romantischen) Romantiker, die die Stille vielfach in ihren Gedichten und Texten beschrieben haben – in einer Zeit, in der die Industrialisierung auch den akustischen Raum zunehmend zu besetzen begann und die Stille plötzlich nicht mehr selbstverständlich war.

 

Mein Interesse für die verschiedene Auslegung des Wortes Stille in der Literatur und Dichtung führte 2011 zu dem Zyklus der visuellen Arbeit mit Sonagrammen „analyzing silence“ und der Klanginstallation/Komposition „Silent Exercizes“. Beide haben das gleiche Ausgangsmaterial: Ich bitte Menschen, das Wort Stille in ihrer Muttersprache zu sprechen und zu wiederholen. Zu den mehreren Hundert Tonaufnahmen, die ich in den verschiedensten Ländern und Situationen gemacht habe, gehören Schriftsprachen ebenso wie gesprochene Sprachen und Dialekte. Viele Worte für „Stille“ klingen je nach Kulturkreis und Kontinent sehr ähnlich, andere sind vollkommen unterschiedlich, manchmal überraschend lautmalerisch und magisch. „Stille“ kann in manchen Sprachen mit verschiedenen Worten ausgedrückt werden. Einige Sprachen haben kein Wort für Stille, sondern beschreiben den „Ort ohne Klang“. Die Aufnahmen sind nicht in einem schalltoten Raum entstanden, sondern dort, wo die Menschen leben. Die kleinen, feinen Geräusche, vom Umfeld des Aufnahmeortes und die auch zur Arbeit gehören, zeigen, dass Stille nie abstrakte Abwesenheit von Klang ist, sondern die Situation, die Hören überhaupt ermöglicht.

 

Christina Kubisch
Die 1948 in Bremen geborene Komponistin und Klangkünstlerin gehört zur ersten Generation der Klangkünstler. Sie trat schon früh mit Projekten im Schnittfeld von Bildender Kunst, Medien und Musik in Erscheinung. In den 70er Jahren waren es vor allem genderkritische Video-Performances, gefolgt seit Beginn der 80er Jahre von raumbezogenen Klanginstallationen mit magnetischer Induktion und anderen, meist selbstentwickelten audiovisuellen Mitteln. …[mehr lesen] Mitte der 80er Jahre begann die Künstlerin auch Licht in ihre Arbeiten mit einzubeziehen. es entstanden oft großformatige Installationen, die visuelle und akustische Elemente zu einer neuen Einheit verbinden.  Nach Studien- und Lehraufenthalten in Deutschland, der Schweiz und Italien sowie Gastprofessuren u.a. in Holland und Frankreich lebt sie seit 1987 in Berlin. 2003 begann sie die Serie der Electrical Walks, Klangspaziergänge im öffentlichen Raum, wobei sie das Publikum mit speziellen elektromagnetischen Kopfhörern zu einer bisher unbekannten Art der Wahrnehmung der Alltagswelt einlädt Christina Kubisch lehrte von 1994 bis 2013 als Professorin für „Audiovisuelle Kunst“ an der Hochschule der Bildenden Künste Saar in Saarbrücken. Seit 1997 ist sie Mitglied der Akademie der Künste Berlin.
Ihre Kompositionen und Radiostücke sind international von verschiedenen Labels herausgegeben worden.
Besuchen Sie die Künstlerin auf ihrer Homepage  http://www.christinakubisch.de